Beim Thema „Agile Führung“ erlebe ich häufiger, dass sich Führungskräfte bei der Umsetzung von Agilität mehr auf das Thema „Agile Methoden“ stürzen als ausreichend die agilen Prinzipien, Haltung und Werte zu stärken.

Warum ist das so? Welchen Weg schlage ich vor?

Diese beiden Fragestellungen betrachte ich in diesem Blog-Beitrag mit folgender Agenda:

  1. Begriff Agilität klären
  2. Checkliste „Agile Führung“
  3. Unterscheidung agile Werte, Prinzipien, Haltung, Methoden
  4. Warum agile Methoden allein nicht ausreichen
  5. Umsetzungsbeispiel für die Entwicklung von agilen Prinzipien, Werten und Haltung
  6. Mein Fazit

In diesem Blog-Beitrag gebe ich Impulse, wie Führungskräfte Agilität in ihrem Führungsbereich erfolgreich gestalten können. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sich eine Führungskraft selbst seinen Status und seine Entwicklungspotenziale hinsichtlich „agil sein“ und „agile Führung“ bewusst macht und für sich transparent macht.

1. Begriff Agilität klären

Eine gleiche Sicht über den Begriff Agilität in Ihrem Führungsbereich zu schaffen, ist meines Erachtens eine Grundvoraussetzung für die Umsetzung von Agilität. Eine kurze Zusammenfassung von meinem Verständnis zum Begriff Agilität biete ich im Folgenden an:

  1. Agilität bezieht sich auf die Fähigkeit einer Organisation oder eines Individuums, schnell und effektiv auf Veränderungen zu reagieren.
  2. Es geht darum, flexibel und anpassungsfähig zu sein, um schnelle und innovative Lösungen zu ermöglichen.
  3. Agile Prinzipien und Methoden setzen dabei auf eine Vorgehensweise, die geprägt ist von kleinen Schritten, kleinen Zeiteinheiten, Ausprobieren und bewussten Reflexionsschleifen, um sich auf Basis der schrittweisen Erkenntnisse fortlaufend wieder neu auszurichten.

Grundlage des agilen Ansatzes stellt das agile Manifest aus dem Jahr 2001 dar. Von 17 weltweit renommierten Softwareentwicklern wurden 4 agile Werte und 12 agile Prinzipien im Kontext der Softwareentwicklung abgestimmt. Das agile Manifest finden Sie unter folgenden Link: https://agilemanifesto.org/iso/de/manifesto.html

2. Checkliste „Agile Führung“

Zur eigenen kurzen Standortbestimmung biete ich folgende kurze Checkliste „Agile Führung“ an:

Agile Führungskräfte …

  • sind selbst beweglich, flexibel, anpassungsfähig und

  • fähig zur Transformation von Menschen, Teams und Prozessen

  • begreifen Führung als Rolle (Aufgabe, Kompetenz, Verantwortung) statt als Position mit Funktionsbereich,

  • verstehen sich als Ermöglicher bzw. Befähiger des Teams,

  • fördern die Selbstorganisation im Team, die Teamentwicklung und

  • Selbstverantwortung und Kreativität im Team,

  • stärken einen wertschätzenden Umgang miteinander und

  • ermöglichen eine Vertrauens-, Feedback-, Fehler- und Innovationskultur.

    Wo stehen Sie aktuell bei jedem dieser Punkte auf einer Skala von 1 bis 10 (1= gar nicht erfüllt … 10 = vollständig erfüllt)?

    Wo sind Ihre größten Entwicklungsfelder als Führungskraft und was könnte Ihr nächster Schritt sein?

3. Unterscheidung agile Werte, Prinzipien, Haltung, Methoden

Um sich als Führungskraft über eine passende Vorgehensweise zur Stärkung und Umsetzung von Agilität im eigenen Führungsbereich bewusst Gedanken zu machen, ist es aus meiner Sicht hilfreich, sich die Unterschiede der Begrifflichkeiten bewusst zu machen.

Im Folgenden biete ich Ihnen eine Übersicht über die Begrifflichkeiten an, wie ich sie gerne verwende:

Agile Werte:

Spezifische, erstrebenswerte, moralisch/ethisch als gut befundene Wesensmerkmale, die einem Individuum oder einer Gruppe zugeschrieben werden und die deren Handeln beeinflussen. In der agilen Gemeinschaft werden häufig als wesentliche agile Werte Offenheit, Respekt, Fokus, Verbindlichkeit und Mut genannt.

Agile Prinzipien:

Allgemeingültiger Grundsatz, der aus der Verallgemeinerung von Gesetzmäßigkeiten und wesentlichen Eigenschaften der Realität abgeleitet ist und als Leitfaden dient. Der Zusammenhang zwischen Wert und Prinzip besteht darin, dass sich Prinzipien aus Werten entwickeln. Wenn mir zum Beispiel der Wert „Pünktlichkeit“ wichtig ist, dann folge ich dem Prinzip „Rechtzeitig zu Besprechungen kommen“. Wesentliche agile Prinzipien habe ich bereits zu Beginn des Blogs benannt.

Agile Haltung:

Haltung kann als eine grundlegende Einstellung oder Überzeugung beschrieben werden, die Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst. Sie wird durch Erfahrungen, Lernen und Umfeld geprägt, kann bewusst oder unbewusst entstehen und verändert werden. Für agile Vorgehensweisen ist die Bereitschaft zu folgenden Haltungen wertvoll: Lösungs- statt Problemorientierung, positives Menschenbild, eigene Veränderungswiderstände überwinden, über den eigenen Tellerrand sehen, Komfortzonen verlassen, neues ausprobieren, veraltetes Denken an die Wirklichkeit anpassen, selbstorganisiert fortlaufend lernen.

Agile Methode:

Eine Methode ist eine systematische Handlungsvorschrift (Vorgehensweise), um Aufgaben eines bestimmten Problemtyps effektiv, transparent und wiederholbar zu lösen. Sie beruht auf agilen Prinzipien. Sie beschreibt, wie, ausgehend von gegebenen Bedingungen, ein Ziel mit einer festgelegten Schrittfolge erreicht wird. Agile Methoden sind zum Beispiel Daily Stand-up, Retrospektive, Kanban-Board oder Design Thinking. Die bekannten Begriffe SCRUM oder Objectives and Key Results (OKR) sind mehr als eine Methode, nämlich ein Vorgehensmodell. Das möchte ich aber hier in diesem Blog-Beitrag nicht weiter vertiefen.

Zur Einordnung kann auch die unten dargestellte Pyramide helfen. Das Fundament stellen agile Werte, Prinzipien und die Haltung dar, darauf aufbauend stehen die agilen Methoden, die wiederum eine Basis für eine agile Arbeitswelt darstellen.

4. Warum agile Methoden allein nicht reichen

Eine agile Methode ist also eine konkrete Vorgehensweise zur Problemlösung einer speziellen Art von Problemen. Dabei werden die grundlegenden agilen Prinzipien, Werte und Haltungen umgesetzt.

Ohne dass die Beteiligten die agilen Prinzipien, Werte und Haltungen leben, funktioniert eine agile Methode in der Realität leider nicht wirklich wirksam und nachhaltig.

Führungskräfte, die erst versucht haben, sich zeitsparend nur um die Umsetzung der eigentlichen agilen Methode zu kümmern, berichteten mir, dass ihre Mitarbeiter erst erfolgreich dann agile Methoden wirksam umsetzen konnten, nachdem sich Führungskräfte und Team mit den agilen Prinzipien, Werten und Haltungen befasst haben und diese verinnerlicht haben.

5. Umsetzungsbeispiel für die Entwicklung von agilen Prinzipien, Werten und Haltung im Team

Voraussetzung für die Entwicklung von Agilität ist aus meiner Sicht, dass alle Beteiligten das gleiche Grundverständnis für die Themen der agilen Arbeitswelt haben, den Sinn, Begriffe und Zusammenhänge einheitlich verstehen und verwenden können.

Hierzu wäre zum Beispiel ein Tages-Workshop im Team sinnvoll.

Auf dieser Basis könnte eine Führungskraft die folgende Intervention selbst gestalten und mit dem Team umsetzen:

  1. Das Team nimmt sich jede Woche oder alle zwei Wochen in einem Team-Meeting ca. 20 Minuten Zeit, um sich mit den wichtigsten agilen Prinzipien, Werten und Haltungen auseinander zu setzen. Dieses Format sollte aus meiner Erfahrung lieber kürzer und öfter statt länger und seltener stattfinden.
  2. Zum Beispiel könnte im ersten Termin jede*r im Team zum agilen Wert „Offenheit“ folgende drei systemischen Fragen beantworten:
    1. Was verstehe ich unter dem Wert „Offenheit“?
    2. Woran erkenne ich „Offenheit“ in unserem Team?
    3. Wie können wir konkret „Offenheit“ in unserem Team in der nächsten Woche stärken?

    Ziel ist, Sichten auszutauschen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen. Zum Schluss kann gemeinsam entschieden werden, welche konkrete erste Maßnahme im Team vereinbart wird, um in der folgenden Woche im Arbeitsalltag den Wert „Offenheit“ gemeinsam zu leben und zu stärken.

  3. Nach einer Woche könnte im nächsten Team-Meeting eine kurze Retrospektive zu dem Wert „Offenheit“ stattfinden. Jede*r im Team beantwortet innerhalb einer festgelegten Zeitbox (z.B. max. 2 min.) folgende drei systemischen Retrospektive-Fragen aus seine*r Sicht:
    1. Was haben wir in dieser Woche gut gemacht beim Umgang mit „Offenheit“?
    2. Was haben wir in dieser Woche noch nicht so gut gemacht beim Umgang mit „Offenheit“?
    3. Was möchten wir in der nächsten Woche konkret anders/besser machen beim Umgang mit Offenheit?

Wöchentlich wird diese Retrospektive zum Wert „Offenheit“ so lange wiederholt, bis das Team das Gefühl hat, dieser Wert wird angemessen im Team berücksichtigt.

Erst dann empfehle ich ein nächstes Element aus den agilen Prinzipien, Werten oder Haltungen anzugehen, um diesen in der oben beschriebenen Vorgehensweise im Team weiterzuentwickeln.

6. Mein Fazit zum Thema „Agile Führung“

Seien Sie mutig als Führungskraft und ermöglichen Sie ihrem Team fokussierten Raum und Zeit für die Umsetzung. Agile Führung bedeutet auch, den Rahmen für die Veränderungen im Team zu gestalten.

Starten Sie mit der Umsetzung von agilen Prinzipien, Werten und Haltungen im Team, um eine ausreichende Reife im Team für eine wirksame Umsetzung von agilen Methoden zu ermöglichen.

Setzen Sie dieses mit dem Team im Sinne eines Experiments in einem geschützten Rahmen um. Gehen Sie mit dem Team agil in kleinen Schritten mit kleinen Zeiteinheiten vor. Experimentieren Sie mit dem Team und nutzen Sie regelmäßig Reflexionsschleifen im Team, um den aktuellen Stand und die Ausrichtung des nächsten Schrittes bewusst zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

Das bietet aus meiner Sicht eine wirksame Basis, um erfolgreich und nachhaltig agile Methoden umzusetzen.

Nehmen Sie gerne Kontakt zu mir auf bei Rückfragen, Klärungsbedarf oder Interesse an einer Vertiefung zum Thema „Agile Führung“.